Freeeezy Gisborne

30.06.2016Neuseeland, Nordinselabenteuer
5 (1 Bewertung)Gisborne, Morere Hot Springs
Schon in Hawkes Bay hat man uns gesagt, dass die Saison circa 4-5 Wochen zu spät dran ist. Überhaupt deswegen haben wir noch unsere Erntehelferjobs bekommen. Und schön warm war's tagsüber ja auch noch. Dass uns dann aber der Winter in Gisborne so brrrrRRRRrrrr kalt erwartet, wussten wir nicht. Aber auch die kalt-nassen Temperaturen haben wir überstanden. Genau wie unseren zweiten Job im Packhouse.
Doch zu allererst: Benzin in Napier war zu jener Zeit doch verdammt teuer. Zu teuer findet der Fahrer (Thomas) und entscheidet auf die nächste größere Stadt zu warten. Als nach einem ordentlichen Gebirgspass und knapp 100km immer noch kein Ortsschild zu sehen ist und die Tanknadel verdächtig am unteren Ende wackelt, werden die Gemüter immer nervöser. An einer Tankstelle mitten im Nirgendwo mit nur einer Zapfsäule (zum Glück Benzin) tanken wir dann endlich mal wieder. Nur knappe 20ct pro Liter mehr als in Napier. Aber dort kassieren wir auch unseren ersten Anhalter ein. Sven sitzt ganz verloren auf seinem Rucksack. Also laden wir ihn und seine Sachen in Marty. Er kommt aus Köln und macht 4 Monate Neuseelandurlaub. Danach will er studieren, erzählt er. Sein Ziel: Wairoa. Dort wohnt ein ehemaliger Arbeitskollege seines Vaters und erwartet ihn. Wir setzen ihn ab und haben einen Mitmenschen sehr glücklich gemacht. Allerdings müssen wir wieder tanken.
Marae Sightseeing Tour
Auf unserem Weg vom beschaulichen Napier nach Gisborne, das Surferparadies der Nordinsel, versprach der Reiseführer allerlei Maori-Kultur. Und tatsächlich passiert man auf seinem Weg entlang der Ostküste unzählige Marae. Das sind Versammlungsplätze bzw. -häuser der Stämme, die in der Regel von wunderschönen und teils sehr unterschiedlichen Schnitzereien geschmückt sind.
An einem Marae (ausgesprochen: Mahrei) hängt die neuseeländische Flagge auf Halbmast. Wir denken uns nichts weiter dabei und stehen am Zaun, um Fotos zu machen. Es sind Leute im Versammlungshaus und schließlich tritt eine Dame über den Platz auf uns zu: Wir könnten heute leider nicht hinein kommen, denn es findet eine Beerdigung statt. Doch morgen wären wir gerne gesehen. So gegen Nachmittag?! Also beschließen wir, in der Nähe am Strand die Nacht zu verbringen und am nächsten Tag nochmals vorbei zu schaun. Doch leider sind wir offenbar zu früh, niemand ist da. Also führt uns unser Weg weiter Richtung Norden.
Wandern bis die Füße qualmen und ein Sprung ins heiße Wasser
Etwa eine Stunde nördlich von unserem Übernachtungsort liegen die Morere hot springs. Natürlich heißes Quellwasser wurde schon seit Jahrhunderten von den Maori für seine heilenden (körperlich wie spirituell) Kräfte gepriesen und genutzt. Die Briten fanden das auch toll, haben sich das Land genommen und Badehäuser gebaut. Heutzutage bezahlt man also Eintritt. Auch, um einen der drei Wanderwege zu bestreiten.
Wir schnüren also die Stiefel und wandern durch den dichten Wald auf der größten Runde. Das Wetter ist schwül-heiß und der Aufstieg in den Bush steil und beschwerlich. Auf dem Plateau angekommen, geht's durch Palmen und Farne bald schon wieder bergab. Und nun ergießt sich von allen Seiten Wasser. Das Gelände wird felsiger, das Wasser verschwindet manchmal im Gestein.
Sagen wir so: für ungeübte, vor allem schlecht ausgestattete Abenteurer ist das wohl etwas zu viel. Aber uns hat's jede Menge Spaß bereitet.In diesen Augenblicken wird man als ahnungsloser Wanderer gebeten, das Flussbett als Wanderweg zu nutzen



Vor allem waren wir nach den gut 3h Wandern ordentlich geschafft und freuten uns mächtig auf die heißen Gewässer, deren Quelle wir auf unserem Weg querten. Dicke Rohre führen das heiße Wasser, an dessen Austrittsstelle die Mineralien bunte Farben hinterlassen, hinab zu den Badehäusern. Und dort warten auf die Erholungssuchenden im zweiten Badehaus drei Becken. Eines mit 38°, ein wärmeres mit circa 42° und ein wundervoll kaltes Becken. Wahrscheinlich ist die beste Beschreibung der Becken: größere Whirlpools ohne Sprudel.
Ein herrliches Gefühl. Die Muskeln danken einem die wärmende Kur. Und als es zu heiß wird, geht's zum Abschrecken einmal ins kalte Becken. Wir genießen die tolle Wirkung des Wassers und fühlen uns maori-mäßig gewaschen und geheilt.
Sehenswertes in Gisborne
Gisborne ist in unserer Erinnerung immer nass, kalt und grau. Denn leider war es das auch für uns. Zwar steht dort die sunshine brewery und alles im Ort verspricht, der sonnigste Fleck Neuseelands zu sein. Doch wir sind offenbar in der falschen Jahreszeit gekommen. Nichts desto trotz erkunden wir das Örtchen. Es gibt ein vom Reiseführer empfohlenes Museum, das wir besuchen. Sehenswert und informativ. Vor allem nicht zu groß.
Und wir lassen uns natürlich nicht das Denkmal zu Ehren der ersten Landung Kapitän James Cook' entgehen. Es steht dort, wo er und einige seiner Männer zum ersten Mal an Land gegangen sind. Dumm nur, dass seine Mannschaft den Haka der am gegenüber liegenden Ufer stehenden Einwohner falsch beantworten.
Am nächsten Tag kommt es trotz dieses tragischen Zwischenfalls zu einer Begegnung. Diesmal stirbt niemand. Da aber die Stimmung sicherlich angespannt war, verließ Cook mit seiner Crew schon bald ohne neue Vorräte die Gegend und benannte die Bucht „poverty bay“. Hier war nichts zu holen.Ein Matrose schießt, ein Maori fällt. Kein guter Start
Auch den Berg bzw. Hügel, an dessen Fuß der Obelisk zu Ehren dieses Ereignisses steht, haben wir erklommen. Ganz ok, aber nichts Besonderes. Und an der Uferpromenade gibt es eine Büste des Kapitäns sowie eine seines Kabinenjunge, little Nick, der im Krähennest sitzend zum ersten Mal „Land in Sicht“ rief.
Ein Job, der uns ein Dach über den Kopf bietet
Das war die Grundidee, als wir nach Arbeit in einem Packhouse suchten. Schutz vor Regen und Außentemperatur. Und es geht schneller, als erwartet. Beim Umherfahren halten wir an einem Packhouse, hinterlassen unsere Daten und haben am nächsten Tag einen Anruf. Zuerst brauchen sie nur einen Arbeiter - groß und stark. Als wir dankend ablehnen, weil wir einen Job für uns beide suchen, kriegen wir 10 Minuten später auch beide einen. Kracher!



Im Packhouse etwas außerhalb Gisbornes werden Zitrusfrüchte für den lokalen Markt und für Export - hauptsächlich USA und Japan - verpackt. Bianca soll Pappkartons für den Export zusammenkleben. Am Anfang machen wir das auch beide, während das Packhouse sonst an unserem ersten Arbeitstag ziemlich leer ist. Ab Mittag füllt es sich und Thomas darf nun zum Kartons stapeln, während an der Boxklebe-Station neue Kolleginnen helfen. Eine große Hilfe sind sie nicht.
Überhaupt wird in den drei kommenden Wochen Packhouse bewusst: Es gibt Menschen, die sich mit aller Kraft und viel Einfallsreichtum unglaublich gekonnt um Arbeit drücken.
Manchmal ohne Grund. Auch sonst ist der ganze Laden eher semioptimal organisiert. Saftladen trifft's eher. Obwohl wir keinen herstellen. Die erwartete Wärme bietet der Job auch nicht. Das Packhouse ist eine Überdachung mit vielen Toren, kalt und zugig. Nach Feierabend sind unsere Gemüter stets noch so erhitzt, dass wir am Parkplatz (unser Stellplatz für vier Wochen) noch eine gute halbe Stunde in Martys Fahrerkabine sitzen. Wärme aus der Lüftung genießen und uns gegenseitig die Kuriositäten des Tages erzählen. Dafür ist der geliebte Schatz eben auch manchmal da: Ventil öffnen und Druck rauslassen.Manche haben Kopfschmerzen, andere Augendruckprobleme und wieder andere fahren einfach lieber Gabelstapler
Manchmal müssen wir die Sortieranlage vom Setup für Exportverpackung zu Lokalmarkt umbauen. Das Ganze für 20 kleine Kartons Limetten. Danach wieder Putzen und umbauen für Export. Manchmal sind die Paletten dämlich gelagert, sodass man an Wichtiges nicht rankommt. Und ständig rennt einer der beiden Chefs in der Halle rum und brüllt entweder "ihr kostet mich zu viel Geld" oder "nicht so pingelig sein mit Aussortieren". Der traurige Höhepunkt der Absurdität ist erreicht, als Bianca mit anderen nutzlosen, überbezahlten und ohnehin viel zu undankbaren Angestellten schimmlige Mandarinen aussortieren muss. Sagen wir, in einer Kiste sind 50% hochgradig verdorbene Früchte und 50% „gute“. Die mussten nun in getrennte Kisten sortiert werden. Ihr wisst, wie staubig so eine Mandarine ist, wenn sie ihre Farbe von frischem orange zu mangelhaft mattem grün gewechselt hat? Überall Schimmelstaub, die Luft erfüllt von Sporen, alle Klamotten voll davon: Bianca hat die Nase gestrichen voll.
Der Job ist anstrengend. Physisch und psychisch. Wenn wir für Export verpacken, geht alles ziemlich schnell und hektisch. Kistenstapeln bedeutet: die 14kg schweren Kisten auf die richtige Palette (je nach Größe der Früchte) stapeln, mit Band verzurren (alle zwei Lagen Kisten) und nach sieben bis acht Lagen final mit Zurrband umwickeln, Palette wegbringen und leere Palette bereitstellen.
Fantastisch also, wenn der Stapelkollege eben mal entscheidet, Gabelstapler zu fahren. Oder der Chef kommt und gibt ihm irgendeinen sinnfreien Auftrag. Aber auch Boxenkleben ist nicht besser. Vor allem, wenn eine der chilenischen Kolleginnen entscheidet, nur noch falten und die geklebten Kartons stapeln zu wollen statt zu kleben. Acht Stunden Kleber einatmen. Arme Bianca. Manche würden dafür vielleicht sogar Geld bezahlen.Es geht mega fix, das Sortierband rennt und hält in der Regel nicht
Schließlich wird Bianca zum Sortieren geschickt. Dort steht man die komplette Schicht auf einem Fleck. Am Band, wo die Früchte aus der Waschstraße kommen und auf die beiden Sortiermaschinen verteilt werden. Erste Güte geht auf die große Sortiermaschine, zweite Güte auf die kleine. Die Sortiermaschinen sortieren die Früchte nach Größen und lassen sie in die bereitstehenden Kartons oder Kisten rollen.

Als Sortierer entscheidet man also in einem Bruchteil einer Sekunde über die Güte einer Frucht. Hat die Schale einen Schaden? Ist die Zitrone brauchbar? Ist die Mandarine Exportware oder eher für den lokalen Markt? Und was ist das Schlimmste: Man steht. Keinerlei Bewegung und Abwechslung. Weder für die Augen, die stundenlang denselben Abstand fokussieren. Noch für Kopf oder Körper. Und auf Toilette kann man auch nicht zwischendurch gehen. Also trinkt man zu wenig. Unglaublich ermüdend. Nach drei Wochen haben wir genug und flüchten. Manche Sachen muss man einfach nicht machen. Punkt.
Fazit
Gisborne hat es uns nicht angetan. Der Eindruck dieses Jobs bleibt hängen, definitiv. Das Wetter bessert sich nicht und die Bibliothek ist besonders wegen ihrer sympathischen Mitarbeiterinnen keinen Besuch wert. Es gibt im Grunde drei gute Dinge an Gisborne. Jeden Samstag gibt es einen Farmers Market, ganz nahe am Stellplatz. Dort kaufen wir günstig Obst und Gemüse für die kommende Woche ein. Die Strände in und um Gisborne sind ganz bestimmt großartig für Surfer. Wir haben selbst bei den eiskalten Temperaturen (jahaaa, oft genug eher zwischen null und maximal acht Grad Celsius) Leute auf Brettern in den tosenden Wellen beobachtet.

Und Hina und Simon. Ein japanisch-schwedisches Traveller-Pärchen, die sich den Parkplatz mit uns teilten. Die beiden haben denselben Typ Campervan und so kamen wir auch ins Gespräch. Die beiden reisen schon seit vielen Jahren. Oft genug plaudern wir trotz Kälte - wir bekämpften die Temperaturen mit Alkohol - bis spät in den Abend und hatten viel zu lachen. Und sie waren es auch, die uns mit ihrem Plan inspirierten, länger auf den Cook Islands zu  bleiben, als nur für einen kleinen Urlaubstrip.
Zuerst hatte es während der Arbeit in Strömen zu regnen begonnen. Das Dachfenster war offen. Allerdings sind anschließend die Matratzen wieder gut trocken, denken wir. Das Wasser hat sich allerdings nach unten bewegt und ohne Luftzirkulation bildet sich innerhalb von wenigen Tagen einiges an Schimmel. Wir entdecken das zufällig, als wir das Bettlaken wechseln und bearbeiten die Matratzen mit Schimmelentferner im Waschsalon. Weil wir dort auch einen Stromanschluss für den Fön zum Trocknen haben.Kurz bevor wir unseren Weg gen Norden antreten, schlägt dann noch eine Bombe ein: Schimmel
Soweit so gut, denken wir. Doch ein Blick ins Ablagefach über dem Bett offenbart noch mehr Schimmel. Die wochenlange Eiseskälte nachts, die Feuchtigkeit vom Kochen, geschlossene Fenster während des anhaltenden Regens und schließlich die hohe Luftfeuchtigkeit generell - alles Ursachen für jede Menge ungewollter Mitbewohner. Zum Glück ist es ein sonniger Tag, an dem wir all unsere Sachen über den kompletten Parkplatz ausbreiten, putzen, mit Schimmelex bearbeiten und austrocknen. Ein gelungener letzter Eindruck, vielen Dank Gisborne.
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